Zwischen Recht und Wirklichkeit
(Textausschnitte von Dr. Jörg Maywald)
Kinder haben Rechte. Das ist historisch neu und auch heute im Bewusstsein vieler Erwachsener nicht fest verankert. Dies hängt mit dem überlieferten Bild vom Kind zusammen: Über Jahrtausende hinweg galten Kinder als noch nicht vollwertige Menschen, Erwachsenen in jeder Hinsicht unterlegen. Kinder waren Erwachsenen daher rechtlich nicht gleichgestellt. Im Verhältnis der Generationen waren die jüngsten und schwächsten Mitglieder der Gesellschaft zugleich diejenigen mit den geringsten Rechten.
Inzwischen hat sich vieles verändert. Das Bundesverfassungsgericht stellte 1968 in einem wegweisenden Urteil ausdrücklich fest, dass die Grund- und Menschenrechte auch für Kinder gelten. Dass ein solches Urteil überhaupt notwendig wurde, zeigt, dass dies bis dahin nicht selbstverständlich war. Seitdem ist die rechtliche Stellung der Kinder in vielen Bereichen verbessert worden (siehe Gesetze zur Sicherung des Kindeswohls)
Die auch von Deutschland 1992 ratifizierte Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist so etwas wie ein Grundgesetz für die Kinder in aller Welt. Die darin festgeschriebenen Kinderrechte gelten für alle jungen Menschen bis zum achtzehnten Lebensjahr, also für Kinder und Jugendliche. Die in den 54 Artikeln der Konvention festgeschriebenen Rechte enthalten gleichermaßen einen Anspruch auf Schutz, Förderung und Beteiligung.
Das wichtigste Schutzrecht ist ein Verbot jeglicher Diskriminierung. Das bedeutet, dass alle Kinder gleiche Rechte haben, unabhängig von Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, Religion oder sozialer Herkunft. Weitere Schutzrechte sind zum Beispiel das Recht auf gewaltfreie Erziehung, der Schutz vor Drogen oder der Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten.
Der zweite Bereich betrifft die so genannten Förderrechte. Besonders wichtig ist der Vorrang des Kindeswohls, das heißt bei allen Kinder betreffenden Entscheidungen ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig berücksichtigt werden muss.
Aber auch die Rechte auf Bildung, auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit und auf einen angemessenen Lebensstandard sind wichtige Förderrechte. Außerdem gibt es einen eigenen Artikel, der das Recht jedes Kindes auf Ruhe, Freizeit, Spiel und Erholung festschreibt. Schließlich haben Kinder Beteiligungsrechte: Sie haben das Recht, in allen Angelegenheiten, die sie betreffen, gehört zu werden. Ihr Wille und ihre Meinung müssen angemessen und entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife berücksichtigt werden.
Kindern besser zuhören!
Bei der Umsetzung der Kinderrechte gibt es allerdings auch heute noch große Lücken: Mehr als Erwachsene sind Kinder in Deutschland von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. Viele Kinder erhalten nicht die bestmögliche gesundheitliche Versorgung (siehe Medizinische Grundversorgung). Gewalt gegen Kinder kommt – vor allem in Form seelischer Verletzungen und entwürdigender Behandlungen – erschreckend häufig vor. Vielen Erwachsenen, die Kinder schlagen, fehlt noch immer das Unrechtsbewusstsein dafür (siehe Folgen von Kindeswohlgefährdung). Kinder mit Migrationshintergrund und nach Deutschland geflüchtete Kinder leiden häufig unter Diskriminierung.
Besonders verbreitet und schwer zu erkennen sind Missachtung und Gleichgültigkeit gegenüber Kindern: Vielen Kindern wird einfach nicht zugehört, und ihre Wünsche werden von Erwachsenen nicht ernst genommen. An wichtigen, sie betreffenden Entscheidungen werden die Jungen und Mädchen nicht beteiligt. Und wenn es um Planungen geht, werden die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen oft schlichtweg vergessen.